Hauptstraße 1, 2404 Petronell-Carnuntum
Rekonstruktion eines Stadtviertels der sich neben dem antiken römischen Militärlager und der es umgebenen zivilen Lagervorstadt erstreckenden Zivilstadt.
Geschichte
Die Geschichte Carnuntums beginnt mit der Anlegung eines Winterlagers im Jahr 6 n. Chr. nach der Unterwerfung des Alpengebietes und der keltischen Stämme Noricums südlich der Donau sowie der germanischen Stämme südlich des Rheins durch den Feldherrn und späteren Kaiser Tiberius (Stiefsohn des Kaiser Augustus). Am Schnittpunkt der Handelswege Bernstein- und Limesstraße sowie dem Südufer der Donau gelegen stellte das Lager einen wichtigen Stützpunkt zum Kampf gegen den germanischen Stamm der Markomannen dar.
Das eigentliche Legionslager wurde um 40/50 unter Kaiser Claudius errichtet. Es war an drei Seiten von einer von der militärischen Verwaltung des Legionslagers abhängigen zivilen Lagervorstadt umschlossen und entwickelte sich zum Zentrum des mittleren Donaulimes. Die zunächst aus Holz und Erde bestehenden Gebäude und Befestigungsanlagen wurden um 100 mit Stein ausgebaut und Carnuntum zur Hauptstadt der kaiserlichen Provinz Oberpannonien ernannt. Ab dem frühen 2.Jh. und seit Kaiser Traianus (unter dem das römische Reich seine größte Ausdehnung erreichte) war die 14. Legion Gemina Matria Victrix in Carnuntum stationiert. Die Legionen bestanden in der Kaiserzeit aus römischen Bürgern und wurden meist im Verbund mit Hilfstruppen eingesetzt. Die Legion (ca. 5500 Soldaten) selbst gliederte sich in zehn Kohorten (jeweils rund 500 Soldaten). Das zentrale Stabsgebäude des Legionslagers war die Principa, die über eine Vorhalle, einen von Waffenmagazinen eingeschlossenen Hof, eine mehrschiffige Querhalle und ein Lagerheiligtum mit Feldzeichen, Archiv und Versammlungsräumen verfügte.
Um 124 unter Kaiser Hadrian (der durch den Ausbau der Grenzbefestigung des Limes einen großen Beitrag zur Festigung der Reichsgrenzen leistete) wurde die von einer Stadtmauer umschlossene zivile Siedlung außerhalb des militärischen Territoriums zum Municipium Aelium Karnuntum erhoben und erhielt damit die Rechte einer von Rom abhängigen Stadt. Durch kommunale Bauprojekte entwickelte sich in der Folge eine sich selbst verwaltende Zivilstadt. In diesem Zusammenhang entstand z.B. der sich an der von Carnuntum nach Vindobona verlaufenden Hauptstraße/Limesstraße befindliche und von Säulenhallen gesäumte Platz des als administrativer, politischer, wirtschaftlicher, juristischer und religiöser Mittelpunkt dienenden Forum.
Während der (für Rom erfolgreichen) Kriege gegen die germanischen Markomannen und Quaden sowie die Sarmaten hielt sich Kaiser Marcus Aurelius in Carnuntum auf. Unter Kaiser Septimius Severus wurde Carnuntum am Ende des 2.Jhs. zur Colonia ernannt (eine Erhöhung der Rechtsstellung) und erreichte seine größte Ausdehnung von 10qkm. Politische Bedeutung erlangte die Stadt durch das Vierkaisertreffen im Jahr 308, auf dem auf eine Einladung des Konsul Diocletianus hin über die Herrschaftsstruktur der Tetrarchie (zwei Augusti standen an der Spitze des Reiches und zwei Caesaren waren ihnen als präsumptive Nachfolger zugeordnet, eigene Residenzen der Herrschaftsbereiche Ost und West) beraten wurde.
Der Niedergang Carnuntums begann mit einem Erdbeben in der Mitte des 4.Jhs., das große Zerstörungen zur Folge hatte. Kaiser Valentinianus I. erneuerte zwar während seines Kampfes gegen die Quaden die Befestigungen am Donaulimes, jedoch standen trotz einiger Bauvorhaben große Teile des Siedlungsareals leer. Durch die Teilung des Reiches in ein west- und ein oströmisches Reich (395) wurde die Zentrale in Rom immer mehr geschwächt. 430 gab man einen großen Teil der Provinz Pannonien auf und überließ die Gebiete den germanischen Goten und Hunnen. Erst ab dem 9.Jh. und 10.Jh. existierte wieder eine kleine Siedlung im Inneren des ehemaligen Legionslagers.
Besichtigung
Der sehr interessante Rundgang durch das Museum beginnt in einem Ausstellungsgebäude, in dem Grabsteine und Feldzeichen sowie die Geschichte und das Leben in Carnuntum nachstellende Filmszenen zu sehen sind. Ein großes Übersichtsmodell im Anfangsbereich des Außengeländes vermittelt einen guten Eindruck von den Ausmaßen des Militärlagers, der Lagervorstadt und der Zivilstadt.
Im Spaziergarten des Petroneller Schlosses (eine vierflügelige Schlossanlage im barocken Stil aus den 1660er Jahren) befindet sich im Südostbereich der ehemaligen Zivilstadt das Freilichtmuseum, in dem neben Schaugrabungsbereichen drei rekonstruierte, aus beigem Steinmauerwerk in Kombination mit Holz errichtete und mit roten Ziegeln gedeckte Gebäude zu besichtigen sind. Das Straßenniveau sowie das Aussehen der Grundrisse und der Ausstattung der möblierten, dekorierten und teilweise mit Fußbodenheizung beheizten Häuser entsprechen der ersten Hälfte des 4.Jhs..
Das erste betretbare Gebäude ist das Haus des Tuchhändlers Lucius, das ein Beispiel für ein Wohnhaus der Mittelschicht darstellt. Hier kommt man zunächst in den Innenhof mit einem das Dachwasser ableitenden Kanal aus Ziegelplatten. Vom Hof aus kann man nun einen Blick in die Küche (mit einem Herd und einer Feuerstelle für die Betreibung der Fußbodenheizung) werfen und dann über eine kleine Stiege in den Wohnraum und einen Geschäftsraum weiter gehen. Zudem besitzt das Haus einen rechtwinkligen Garten mit einem zentralen Gehweg.
Vom Haus des Tuchhändlers aus führt eine Pflasterstraße an Grundmauern von Häusern und Schaugrabungsbereichen vorbei zu einem größeren Gebäudekomplex mit einem straßenseitigen Säulengang an der Nordseite. Hier wurde die Villa Urbana, ein Stadtpalais der patrizischen Oberschicht, wieder errichtet.
Den eindrucksvollen Mittelpunkt der rekonstruierten Räume bildet der vermutlich als Versammlungs- oder Repräsentationsraum genutzte, mehr als vier Meter hohe Hauptsaal mit Wandmalereien, einer von einer steinernen Halbkuppel überwölbten Apsis und einer Fußbodenheizung.
Ein auf der linken Seite des Saales angrenzender Korridor mit rotem Ziegeltesselatbelag am Boden erschließt die (nicht rekonstruierten) Privatbereiche des Villenkomplexes und den mit mediterranen Pflanzen ausgestatteten zentralen Innenhof, der zum Verweilen einlädt. Über einen Hof an der Rückseite des Saales kann man den Roten Raum betreten, in dem die beheizende Hypokaustanlage (mit Pfeilern aus Sandstein und einer aus Ziegeln gefertigten Unterkonstruktion) noch im Original erhalten ist. Der über einen kleinen Hof auf der rechten Seite des Saales erreichbare Grüne Raum ermöglicht den Zugang zum Wirtschaftstrakt, der einen eigenen Eingang an der Straße besitzt und in dessen Hof sich Heizsysteme für Vorraum und Hauptsaal befinden.
An einen gepflasterten Hof neben der Villa Urbana schließt sich die am ehemaligen Forum gelegene öffentliche Badeanlage an. Diese überwiegend in den Farben Cremeweiß und Rot gehaltene Rekonstruktion einer der Thermen in Carnuntum ist die weltweit einzige, am Originalstandort in antiker Bautechnik wieder errichtete und voll funktionsfähige römische Therme.
Links hinter dem von Säulen flankierten Eingangsportal wurde ein gastronomischer Bereich wieder erbaut. Auf der rechten Seite des Eingangskorridors befindet sich eine Latrine mit originalem Steinpflaster und einem Abwasserkanal unter den Sitzbänken.
Die Therme selbst ist in eine Abfolge unterschiedlich temperierter Räume gegliedert. Der erste Raum (Basilika thermarum) diente als zentraler Versammlungsraum mit Umkleideräumen und Entspannungsbereichen.
Auf diesen von einer bemalten Decke überspannten Saal mit Empore folgt der kälteste, nur indirekt beheizte Raum (Frigidarium) mit einem Kaltwasserbecken. Hier kühlten sich die Badegäste nach einem Besuch der wärmeren Räume ab.
Der nächste, mäßig warme Raum (Tepidarium) sollte den Körper schonend aufwärmen.
Der letzte Raum (Caldarium) ist der wärmste Ort der Therme mit einer Temperatur von ca. 35 Grad. Hinter seinem Warmwasserbecken ist die zentrale Heizstelle angeschlossen, die die einzelnen Räume von unten erwärmt. Der Besuch der Therme ist wohl das Highlight des Rundganges durch das Freilichtmuseum und vor allem an kälteren Tagen auch ein sehr wohltuendes Erlebnis.
Neben dem Freilichtmuseum kann man sich in Petronell das Amphitheater der Zivilstadt und das außerhalb der Stadt gelegene, früher aus vier Pfeilern bestehende vierbogige Triumph-monument Heidentor aus der zweiten Hälfte des 4.Jhs. anschauen. In Bad Deutsch-Altenburg befinden sich das Amphitheater des Militärlagers und das am Stil einer römischen Landvilla orientierte Museum Carnuntinum.
Die Besichtigung des Freilichtmuseums ist überaus lohnenswert. Die rekonstruierten Gebäude sind alle vollständig möbiliert und zum Teil beheizt und vermitteln in Kombination mit den zahlreichen Informationstafeln auf anschauliche Art und Weise einen sehr guten Eindruck vom städtischen Alltagsleben in der römischen Antike.
Bei einem Gang durch die Häuser fühlt man sich wie auf einer Reise in eine längst vergangene, zweitausend Jahre zurückliegende Zeit, die aufgrund ihrer fortschrittlichen Bautechniken dennoch verhältnismäßig modern wirkt (der Lebensstandard im römischen Reich ist etwa mit dem um 1900 vergleichbar). Obwohl sie erst wenige Jahre alt sind, besitzen die Gebäude ein einladendes und ganz besonderes Flair und vor allem der elegante Saal der Villa Urbana und die eine entspannende Atmosphäre ausstrahlende Therme sind wirklich beeindruckend. Der Besuch des wieder errichteten römischen Stadtviertels ist daher nicht nur für Geschichts- und Archäologieinteressierte absolut zu empfehlen.
Die Besichtigung ist zu den Öffnungszeiten möglich.
Es muss Eintritt gezahlt werden.