Paradeplatz 4, 85049 Ingolstadt
Ab dem ersten Drittel des 15.Jhs. unter Herzog Ludwig VII. dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt errichtete Residenz der Herzöge von Bayern-Landshut in Form einer Stadtburg, einer der bedeutendsten Profanbauten des 15.Jhs. in Bayern sowie Ausgangspunkt der die Altstadt umwallenden neuzeitlichen Festungsanlagen.
Geschichte
Die Neue Veste entstand um 1430 im Südosten der Stadt am Rand der Stadtmauer nach einem mehrjährigen Aufenthalt Herzog Ludwigs VII. von Bayern-Ingolstadt am Hof des französischen Königs. Seine Schwester, Isabeau de Bavière, hatte Karl VI. von Frankreich geheiratet. Das Neue Schloss löste den seit dem 13.Jh. als Residenz der Herzöge von Bayern-Ingolstadt dienenden gotischen Herzogskasten/das Alte Schloss als Herrschaftssitz ab. Das Alte Schloss ist das älteste erhaltene profane Gebäude der Stadt, errichtet um 1255 im Auftrag des wittelsbachischen Herzogs von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein, Ludwig II. des Strengen, als Pfalz. Der heute achtstöckige, bruch- und backsteinerne Bau verfügt über mit Lisenen gegliederte Treppengiebel (14.Jh.) auf den Stirnseiten. Östlich schließt ein runder Stadtmauerturm (13.Jh.) an. Der Herzogskasten fungierte als zusätzliche Befestigung am südöstlichen Ende der ersten Stadtmauer und wurde bis in das 15.Jh. hinein als Palas (Wohn- und Repräsentationsgebäude) genutzt, bevor man ihn gegen Ende des 17.Jh. zu einem Getreidespeicher umbaute.
Nachdem sich Ludwig VII. zum Bau der Neuen Veste entschlossen hatte, ließ er mehrere Bürgerhäuser am Paradeplatz abreißen und integrierte das Alte Feldkirchner Tor, ausgebaut zu Wohnräumen, in die Neue Burg. Als Ersatz enstand das 1874 abgebrochene Neue Feldkirchner Tor nordöstlich des Schlosses. Der Bereich um das alte Tor wurde bis ins 19.Jh. mehrfach überformt und stark verändert, vermutlich war aber der Vorgängerbau des heutigen Fahnenhauses Teil der Stadtburg Ludwigs VII.
Nach dem Aussterben der Linie der Herzöge von Bayern-Ingolstadt fiel deren Landesteil im Jahr 1430 an Bayern-Landshut. Die Herzöge Ludwig IX. und Georg der Reiche erweiterten in der zweiten Hälfte des 15.Jh., etwa zwischen 1470 und 1490, das Neue Schloss zu einem modernen Baukomplex im spätgotischen Stil. Von 1479 bis 1489 wurden der Palas (Wohn- und Repräsentationsgebäude) errichtet und die Türme aufgestockt. Unter anderem durch die Aushebung des Grabens und die Anlegung einer Bastei zur Donau hin baute man die Befestigungen weiter aus. Zudem entstand auf der Nordseite des Schlossgeländes unter Einbezug eines Rundturms an der Nordwestecke ein Getreidespeicher, das spätere Zeughaus.
Vom herzoglichen Residenzschloss zur bayerischen Landesfestung
Unter Herzog Wilhelm IV. dem Standhaften von Bayern (seinen Namen erhielt er, da seine Herrschaftszeit die Stellung Bayerns als Bollwerk der Gegenreformation festigte; zudem förderte er die beginnende Renaissancekunst in Bayern) wurden von 1538 bis circa 1545 die mittelalterlichen Befestigungen zu einer rechts und links der Donau um die Stadt herum angelegten Landesfestung ausgebaut. Ein Grund: Ingolstadt lag strategisch bedeutsam an einer Kreuzung der Straßen von Regensburg nach Ulm sowie von Nürnberg nach München und Augsburg. Die Leitung der Baumaßnahmen hatte Reinhard Graf zu Solms inne. So entstand in der Folgezeit vor der Stadtmauer ein aufgemauerter Erdwall mit Graben und Bastionen an den Eckpunkten – die Ziegel-, Harder- (deren gemauerte Werke sind noch erhalten), Kugel- und Kreuztorbastei, das Rundell beim Frauenhaus, die Streichwehr, das Rundell am Roten Turm und die Donaufront.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden die Werke der Renaissancefestung in der Mitte des 17.Jhs. umgebaut und verstärkt. Man erhöhte die innere Grabenwand am Hauptwall und legte vor den vorhandenen Bastionen hinter dem feuchten Graben weitere Bastionen an.
Fehlende Gelder für die Instandhaltung etwa ab der Zeit Kurfürst Karl Theodors von Pfalz und Bayern gegen Ende des 18.Jhs. und um 1800 nach der Niederlage der österreichisch-bayerischen Allianz im Zweiten Koalitionskrieg bei Hohenlinden führten zur kampflosen Übergabe der Festung an die französischen Truppen Napoleons. Diese zerstörten die Anlage, sodass aus der barocken Anfangsphase heute kaum mehr bauliche Zeugnisse erhalten sind.
Nach der Schleifung ließ König Ludwig I. von Bayern von 1828 bis 1849 die Festung neu aufbauen – im Stil des Klassizismus an einer günstigen, geographisch etwa mittigen Position im 1806 gegründeten neuen Königreich. Die Bauarbeiten begonnen mit der Grundsteinlegung am Brückenkopf am Südufer der Donau/der rechten Donauseite für das halbrunde Reduit Tilly (Infanteriemauer an Donauseite) nach Plänen des Hofarchitekten Leo von Klenze. Der verstärkte Verteidigungsbau, in dem man heute eine Ausstellung über den Ersten Weltkrieg besichtigen kann, verfügt über zwei Flankenbatterien: Im Osten befindet sich (im Klenzepark) der längsovale Flankenturm Triva, errichtet im zirkularen Baustil. Seine zwei Ebenen bestehen aus tonnengewölbten Geschützkasematten, die später als Kaserne und nach dem Zweiten Weltkrieg als Notunterkunft genutzt wurden. Im Westen liegt der Turm Baur, eine flachgedeckte ringförmige Anlage mit monumentalen kalksteinverkleideten Fassaden. Anschließend wurden immer abwechselnd die Fronten und Kavaliere gebaut. Von ersteren ist zum Beispiel die Fronte Preysing/79 erhalten, der nordöstlich der fünfgeschossige Taschenturm vorgelagert ist. Errichtet um 1390 als Nebentor der Stadtmauer mit Satteldach und Treppengiebeln, diente er einst als Henkerwohnung und Stadtgefängnis. Zweitere, die Kavaliere, sind fast durchgehend erhalten und überragten die benachbarten Festungswerke ehemals deutlich. Im Kavalier Hepp im Westen der Wallanlagen kann man heute das Stadtmuseum besuchen. Das Kavalier besitzt die Form eines zweigeschossige flachgedeckten Sichtziegelbaus mit stumpfwinkligen Seitenflügeln und runden Treppentürmen sowie dem vorgelagerten Äußeren Kreuztor.
Um die Mitte des 19.Jhs. verloren die Kavaliere an Bedeutung, denn die drohende Kriegsgefahr bedingte den Bau des ersten Vorwerkgürtels und nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1875 bis 1895 des äußeren Fortgürtels am nördlichen/linken Donauufer. Im Abstand von fünf bis acht Kilometern zum Stadtzentrum entstanden nun sieben Zwischenwerke und neun Außenforts. Erhalten ist nur das Fort VI Prinz Karl auf dem Großen Weinberg bei Katharinenberg. Es ist ein Beispiel für das das bisherige Bastionär- und Polygonalsystem ablösende Biehler´sches Einheitsfort. Mit je zwei Front- und zwei Flankenmauern versehen, ist es tiefer in das Gelände eingebettet und verfügt so über eine größere Breite, was den Festungsgürtel deutlich erweitert.
Im Jahr 1937 wurde die Festung Ingolstadt aufgelassen und die permanenten Forts übergingen in die Verwaltung des Heereszeugamts. Bis 1945 dienten sie der Wehrmacht als Munitionsdepots. Während des Zweiten Weltkriegs beschädigten Bombentreffer Teile des Schlosses und nach 1945 sprengten amerikanische Besatzungstruppen die äußeren Forts. Nach einem teilweise rekonstruierenden Wiederaufbau des Äußeren in den 1960er Jahren werden das Schloss und einige erhaltene Festungswerke heute durch das Bayerische Armeemuseum genutzt. Über der ehemaligen Hauptumwallung ersterckt sich ein ausgedehnter Grüngürtel, der zum Entspannen und Erkunden der langen, wechselvollen Festungsgeschichte einlädt.
Besichtigung
Der Rundgang über Gelände des Neuen Schlosses beginnt am östlichen Ende der Ludwigsstraße und im Westen des Schlossareals. Den Paradeplatz mit dem Ludwigsbrunnen, aufgestellt 1882 als Widmung für Kaiser Ludwig IV. den Bayern, überquerend gelangt man zum stadtseitig ausgemauerten Graben. Hinter ihm bietet der Torbau mit einem Glockenturm (Mitte 18.Jh.) aus der Zeit um 1580 Zugang zu dem um einen querrechtreckigen Hof angelegten Gebäudekomplex des Neuen Schlosses aus dem ersten Viertel des 15.Jhs..
Ein Blickfang im Schlosshof sind die reich verzierten Kanonen, darunter zum Beispiel die Doppelkartaunen „Scherer“ und „Schererin“ von 1524/1525. Im Norden des Hofes befindet sich das in Ziegelbauweise errichtete Zeughaus beziehungsweise der ehemalige Getreidekasten von 1472/1473 mit einem eingezogenen Rundturm, die Nordseite nimmt das Schlosslagerhaus ein.
An der östlichen Seite des Hofes wurde auf der Nord-Süd-Achse ab circa 1479 der langgestreckte, dreigeschossige Palas (Wohn- und Repräsentationsgebäude) erbaut. Er dehnt sich unter einem hohen Satteldach aus und besitzt vier quadratische Ecktürme, von denen zwei dem Schlosshof zugewandt sind. Im Südosten schließt ein großer viereckiger Turm an, sein nordöstliches Pendant ist ein Fünfeckturm. Nur einige Meter dahinter steht weiter östlich die einstige Rossmühle. Der zweigeschossige Putzbau stammt aus dem späten 16.Jh..
Das Innere des Neuen Schosses besticht mit größtenteils in den 1480er Jahren eingewölbten, weiß verputzten Innerenräumen. Zu besichtigen ist unter anderem der Große Saal im Erdgeschoss, dessen Netzrippengewölbe von zwei Achtkantpfeilern getragen wird. Die Gewölbe des sogenannten Schöne Saales entfalten sich sternförmig aus einer Mittelsäule in die Gewölberippen. Sehenswert sind die Dekorationen der Tür- und Fensterrahmen mit ihrem plastischen Schmuck, in der Schlosskapelle haben sich zudem Wandmalereien erhalten.
An der Süstwestseite begrenzt der abgewinkelte Kavaliersbau den Hof, bei dessen Bau im 18.Jh. ein Teil der Stadtmauer integriert wurde.
Im Neuen Schloss befindet sich die Hauptsammung des 1879 in München gegründeten und nach einer Beschädigung des Bestandes im Zweiten Weltkrieg 1972 in Ingolstadt neu eröffneten, militärhistorisch ausgerichteten Bayerischen Armeemuseums. Die unter dem Titel „Formen des Krieges 1600–1815“ laufende Daueraustellung zeigt im Erdgeschoss zum Beispiel die Schatzkammer mit Stücken aus der Zeit der europäischen Expansion nach Übersee und die Passauer Rüstung. Inszeniert werden ebenfalls Stangenwaffen, in der Dürnitz wird die der Museumsgeschichte („Arsenal und Museum“) dargestellt und das Obergeschoss thematisiert die „Die Schlacht“. Waffen, Rüstungen, Ausrüstungsgegenstände und bayerische Kriegs- und Militärmalerei geben informative Einblicke in gesellschaftliche Umstände und das alltägliche Leben in Kriegszeiten. Abgerundet wird die Präsentation durch das um 1570 angefertigte Planungsmodell der Festung Ingolstadt. In die Zeit des Ersten Weltkrieges eintauchen kann man in der Ausstellung im Reduit Tilly, in dessen östlicher Flankenbatterie Triva in die Bayerische Polizeigeschichte seit der Revolution 1918/1919.
Umfangreiche Einblicke in den europäischen Festungsbau gibt die ehemalige Veste, kombiniert in ihren musealen Bereichen anschaulich höfische Kulturgeschichte mit der Entwicklung der militärischen Strukturen und Kriegstaktiken im Laufe der Neuzeit. Und nicht zu vergessen: In Ingolstadt wurde 1516 nach dem Landshuter Erbfolgekrieg und der Wiedervereinigung der bayerischen Teilherzogtümer in der neuen Landesordnung unter anderem das „Bayerische Reinheitsgebot“ erlassen, das die Verwendung von Gerste statt Malz verordnete sowie Preise und Inhaltsstoffe des Bieres regulierte.
Die Außenbesichtigung ist ganzjährig und jederzeit möglich.
Für das Museum muss Eintritt gezahlt werden.