Living History Mittelalter

Die Anfertigung der Kleidung

hölzerne Handspindel mit Wirtel, 12.Jh. bis 15.Jh.
hölzerne Handspindel mit Wirtel, 12.Jh. bis 15.Jh.

Nach der Recherche und der Quellenauswertung geht es nun um die praktische Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse. Bei Kleidung sind das die Herstellung des Materials und das Nähen. Auch hier gilt es, historisch belegte Techniken und Utensilien zu verwenden, um möglichst nah an die Realität des gewählten Zeitraumes heran zu kommen.

Ich musste an dieser Stelle leider einige Einschränkungen machen und meine Garne und Stoffe kaufen, da mir im Moment sowohl der Platz als auch die Kenntnisse zum Weben und Pflanzenfärben fehlen. Allerdings halte ich es durchaus für wahrscheinlich, dass auch eine Bürgerin des Mittelalters nicht unbedingt selbst gesponnen und gewebt, sondern ebenfalls gekauft hat. Zudem bin ich keine Fachfrau auf dem Gebiet des Nähens, weshalb ich hier auch keine ausführlichen Erklärungen zu Nahtarten und Techniken geben kann.

Besonders empfohlen sei an dieser Stelle daher das Handbuch Kleidung im Mittelalter. Materialien - Konstruktion - Nähtechnik von Katrin Kania, das mir bei der Herstellung meiner Kleidung sehr geholfen hat.


Die Schnitte der einfacheren Frauenkleidung um 1200 basieren auf geometrischen Formen. Ein Kleid setzt sich aus Rechtecken zusammen, die durch Keile erweitert werden. Dass grundsätzlich mit der Hand genäht wird, versteht sich von selbst.

 

Nähutensilien

 

mittelalterliche Nähutensilien: Eisenschere, Messing- und Knochennadeln
Nähutensilien: Eisenschere, Messing- und Knochennadeln

Genäht wurde im Mittelalter mit Nadeln aus Metallen wie Eisen und Messing oder Knochen und Horn.

Zur Aufbewahrung meiner Nadeln dient mir ein aus Stoffresten zusammen gefügtes und in der Mitte einmal gefaltetes Stück Wollstoff. Neben der Eisenschere sind Messingnadeln zu sehen, oben rechts Knochennadeln.

 

Das Unterkleid

 

Am Anfang steht die Anfertigung des Unterkleides (mhd. Hemd). Unterkleidung bezeichnet die direkt auf der Haut getragenen Kleidungsstücke und ist eigentlich nicht ohne Oberkleidung denkbar.

Im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert war das Unterkleid ein gerade geschnittenes und auf beiden Seiten gleich langes, langärmeliges und mindestens knöchellanges Schlupfkleid mit Schulternaht, eng anliegenden und eher geraden Ärmeln sowie seitlich eingesetzten Keilen. Es war in der Regel aus Leinen oder Seide (beim Adel) und nicht unter dem Oberkleid sichtbar.

 

Meine Rekonstruktion richtet sich nach dem Vorbild des Schnittes der Kleider der heiligen Elisabeth und der heiligen Klara (aus dem ersten Drittel des 13.Jhs.) sowie der Unterkleider in der Illustration des Jungfrauenspiegels (13.Jh.): gerade geschnitten mit einer rechteckigen Vorder- und einer etwas längeren Rückenbahn sowie einer Schulternaht als Verbindung; hochgeschlossen mit einem halsnahen, schmalen runden Ausschnitt; eher eng anliegende, zum Handgelenk schmaler werdende, trapezförmige und zweiteilige Ärmel mit einem rautenförmigen Zwickel unter der Achsel; ein weiter und knapp bodenlanger Rockteil mit seitlich (kurz über der Taillenhöhe zwischen Vorder- und Rückenbahn) eingesetzten Keilen.

  • Als Material habe ich mittelschweren (340g/m) gebleichten Leinenstoff in Leinwandbindung/Tuchbindung gewählt, der mit gebleichtem Leinengarn in der Stärke 60/2 zusammen genäht wurde. Flachs/Leinen (mhd. har, lînîn) war im Mittelalter die üblichste Pflanzenfaser zur Stoffherstellung und wurde am häufigsten in einfacher Leinwandbindung/Tuchbindung verarbeitet. Auch Fäden aus Leinen wurden verwendet, normalerweise in Form von Zwirnen.
  • An Nahtarten nutzte ich die Verbindungsnaht zum Zusammennähen der Stoffteile in Form einer Blindnaht (die Stoffteile werden rechts auf rechts aufeinander gelegt und zusammen genäht), eine überwendliche Verstärkung der Verbindungsnaht an den strapazierten Stellen auf der Außenseite des Kleides und die Versäuberungsnaht an den zusammen genähten Nahtzugaben der inneren Nähte und an den Säumen in Form einer Überwendlichnaht (die Stoffkanten werden bündig aneinander gelegt und um die Stoffkante herum mit Überwendlichstichen verbunden) zur Verhinderung des Ausfransens der Stoffkanten. Meine Nähte fertigte ich mit dem Rückstich/Steppstich (auf einer Linie mit Rückwärtsbewegung) zum Zusammennähen, einem Rückstich/Steppstich am Stoffbruch der Säume zum Fixieren der Falte und einem Überwendlichstich  (um die Stoffkante) zum Versäubern der inneren Nähte und der einmal umgeschlagenen Säume an den Schnittkanten.

  • Beim Anfertigen von Schnittmustern bzw. beim Zuschnitt des Stoffes ist es wichtig, die einzelnen Teile besser ein paar Zentimeter größer zuzuschneiden. So ist die Nahtzugabe später beim Nähen nicht zu schmal und man bekommt nicht das Problem, dass Stellen des Kleides zu eng werden. Zuerst wurden nun die Vorder- und die Rückenbahn, zwei rechteckige Stoffteile je der Länge der Körperhöhe von der Schulter bis zum Boden und der Breite von etwas mehr als dem halben Brustumfang, oben bis zur Schulter aneinander genäht. Den späteren Halsausschnitt habe ich zuvor in der Mitte jeder Bahn durch einen vorne längeren und hinten kürzeren Schnitt markiert.
    Anschließend setzte ich die Ärmel, je ein Stoffstück von der Länge des Armes von der Schulter bis zum Handgelenk und einer Breite von oben etwas mehr als dem Oberarmumfang und unten des Unterarmumfanges, an der Schulter ein. Dabei fügte ich unter der Achsel einen rautenförmigen Zwickel hinzu, um die Nähte bei der späteren Bewegung des Armes zu entlasten. Nach dem Einsetzen der Ärmel konnte der Halsausschnitt genäht werden, dessen Größe mindestens dem Kopfumfang entsprechen muss.
    Jetzt ging es mit dem Schließen der Vorder- und Rückenbahn an den Seiten weiter. Hier fügte ich kurz über der Taille auf jeder Seite zwei dreieckige Stoffstücke (Geren) ein, um dem Kleid mehr Weite zu geben. So entsteht der A-förmige Schnitt, wie er auf der unter den Quellen aufgeführten Abbildung des Bußkleides der heiligen Elisabeth zu sehen ist. Auch am Kleid der heiligen Klara sind diese Einsatzkeile deutlich zu erkennen.
    Nach der Fertigstellung aller Verbindungsnähte wurden die Säume an den Handgelenken und am unteren Rand des Kleides angepasst.
    Um eine größere Haltbarkeit der Nähte zu erreichen, habe ich die Schulter- und Ärmelnähte sowie die Seitennaht bis zum Einsatzpunkt der Keile an der Außenseite des Kleides von oben noch überwendlich umnäht. Den Abschluss der Näharbeit bildete dann das Versäubern aller Schnittkanten.

 

Und so sieht das Unterkleid fertig aus:

Unterkleid, Leinenstoff
Unterkleid, Leinenstoff

Das gleiche Kleid habe ich auch noch mal aus leichtem (220g/m) gebleichten Leinenstoff genäht.



Strümpfe


Strümpfe wurden im Hochmittelalter aus Stoff genäht. Für die seit vorgeschichtlicher Zeit bekannte und vor allem im Frühmittelalter übliche Technik des Nadelbindens fehlen für meine Darstellungszeit eindeutige Belege, allerdings ist natürlich nicht auszuschließen, dass nadelgebundene Socken auch um 1200 getragen wurden.

Die Strümpfe reichen bis knapp über das Knie und werden im Bereich der Kniekehle durch ein Band gehalten.

  • Als Material habe ich leichten (350g/m) naturfarbenen Wollstoff in Köperbindung verwendet, der ungefähr im Winkel von 45° mit der Symmetrieachse schräg zum Fadenlauf zugeschnitten und mit naturfarbenem Wollgarn (Schussfäden des Stoffes) zusammen gefügt wurde.
  • Schnittmuster: annährend trapezförmige, hinten mit Naht geschlossene Beinröhre mit Knie-, Waden- und Fesselumfang sowie Ausschnitt für Fußrist in vorderer Mitte, Sohlenteil von Größe des Fußumrisses, Fußoberteil mit Maßen des Spannumfangs
  • verwendete Nahtarten: Verbindungsnaht in Form einer Blindnaht zum Zusammennähen der Stoffteile, überwendliche Versäuberungsnaht
  • Stichtypen für Nähte: Rückstich/Steppstich zum Zusammennähen, Überwendlichstich zum Versäubern


Kniehohe Strümpfe aus Wollstoff:

Strümpfe, Wollstoff
Strümpfe, Wollstoff

 


Das Oberkleid

 

Nun folgt die Anfertigung des Oberkleides (mhd. roc). Oberkleidung bezeichnet die zur Bedeckung der Unterkleidung notwendigen Kleidungsstücke. Bei einer Frau des bäuerlichen oder bürgerlichen Umfeldes wird das Kleid als Cotte/a ausgeführt, bei einer Adelsdarstellung hätte es je nach Zeit die Form eines Bliaut oder einer Cotte aus sehr feinem Stoff.

In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts herrschten bei der Oberkleidung zwei Kleiderformen vor.

Dies war zum einen der von der adeligen Dame getragene und wohl überwiegend aus Seide genähte Bliaut (blîat bezeichnet eigentlich einen Stoff mit zweifarbigen oder purpurnen Goldfäden), der eng am (Ober)Körper anlag, mittels einer seitlichen Schnürung an die Figur angepasst wurde und meist weite trompetenförmige Ärmel oder Schlaufen im Bereich des Handgelenkes besaß. Ab der Hüfte setzte sich das Kleid in einen Falten werfenden, bodenlangen Rockteil oft mit Schleppe fort. Der Bliaut war am Ausschnitt und den Säumen häufig mit (breiter) Borte besetzt. Um die Taillen-Hüftgegend wurde ein aus Stoff oder (brettchengewebter) Stoffborte gefertigter Gürtel getragen.

Zum anderen gab es die Kleidung der arbeitenden Bevölkerung, die wahrscheinlich aus Wollstoff genäht wurde und in Form und Schnitt dem Unterkleid ähnelte, also weniger figurbetont war, aus praktischen Gründen enger anliegende und eher gerade Ärmel besaß und mit seitlichen Keilen erweitert wurde.

Ab dem frühen 13. Jahrhundert wurde auch die Kleidung der adligen Frauen weniger körperbetont und es setzten sich weiter geschnittene Cotten mit am Unterarm anliegenden Ärmeln, einem weiten und bodenlangen Rockteil und zunächst noch einem das Kleid in der Taillen-Hüftgegend zusammen raffenden Gürtel durch. Die Kleider der aus niedrigeren Schichten stammenden Frauen werden ähnlich ausgesehen und sich im Vergleich zum späten 12. Jahrhundert kaum verändert haben. Der Unterschied zum Adel bestand in der Verwendung einer geringeren Stoffmenge und eines minderwertigeren Materials.

 

Meine Rekonstruktion des Oberkleides einer süddeutschen Handwerkergattin/-tochter, also einer nicht-adeligen und der arbeitenden Schicht zugehörigen Frau, um 1200 nimmt den Schnitt der Kleider der heiligen Elisabeth und der heiligen Klara (aus dem ersten Drittel des 13.Jhs.) und das Oberkleid der törichten Jungfrau am Magdeburger Dom (kurz nach 1230) sowie die grüne Farbe der Kleider aus dem Evangelistar, dem Codex Buranus, dem Welschen Gast und der Maciejowski-Bibel zum Vorbild: gerade geschnitten mit einer rechteckigen Vorder- und einer etwas längeren Rückenbahn sowie einer Schulternaht als Verbindung; ein schmaler runder Halsausschnitt; eher eng anliegende und zum Handgelenk leicht schmaler werdende, trapezförmige und einteilige Ärmel; ein weiter und bodenlanger Rockteil mit seitlich (kurz über der Taillenhöhe zwischen Vorder- und Rückenbahn) eingesetzten Keilen; am Oberkörper durch die spätere Raffung mit einem (Leder)Gürtel relativ anliegend.

  • Als Material habe ich leichten (350g/m) reseda-indigo-grünen Wollstoff in Köperbindung gewählt, der mit gebleichtem Leinengarn in der Stärke 60/2 an nicht von außen sichtbaren Nähten und grünem Wollgarn (aus den Schussfäden des Stoffes) zur Stabilisierung der Verbindungsnähte an der Außenseite zusammen genäht wurde. Schafwolle war im Mittelalter das am häufigsten verwendete tierische Fasermaterial. Verarbeitet wurde Wolle in den Grundbindungen der Tuchbindung und im 12. und 13. Jahrhundert auch in den vorherrschenden Köperbindungen (üblicherweise vierbindig mit schräg verlaufenden Linien im Tuch). Auch Fäden aus Wolle wurden verwendet, normalerweise in Form von Zwirnen. Oft benutzte man Pflanzenfaserfäden wie Leinengarn auch für Wollstoffe (z.B. beim Kleid der heiligen Elisabeth und Mantel der heiligen Klara).
  • An Nahtarten nutzte ich, wie schon beim Unterkleid, die Verbindungsnaht zum Zusammennähen der Stoffteile in Form einer an der Außenseite des Kleides nur als Linie sichtbaren Blindnaht, eine überwendliche Verstärkung der Verbindungsnaht an den strapazierten Stellen an der Außenseite des Kleides und die Versäuberungsnaht an den  zusammen genähten Zugaben der inneren Nähte in Form einer Überwendlichnaht. Meine Nähte fertigte ich wieder mit dem Rückstich/Steppstich zum Zusammennähen, einem Überwendlichstich zum Versäubern und einem Saumstich (um die Stoffkante ohne ein Durchstechen bis auf die andere Seite der Stofffläche) für die einmal umgeschlagenen Säume und den Ausschnitt.
  • Beim Anfertigen von Schnittmustern bzw. beim Zuschnitt ist es auch hier wichtig, die einzelnen Teile besser ein paar Zentimeter größer zuzuschneiden.
    Zuerst wurden nun die Vorder- und die Rückenbahn, zwei rechteckige Stoffteile je der Länge der Körperhöhe von der Schulter bis zum Boden und der Breite von etwas mehr als dem halben Brustumfang, oben bis zur Schulter aneinander genäht. Die beiden Stoffbahnen habe ich für das Oberkleid ein bis zwei Zentimeter größer als für das Unterkleid zugeschnitten, damit sich die beiden Kleider bequem übereinander tragen lassen. Der Ausschnitt für den Kopf wurde zuvor wieder in der Mitte jeder Bahn durch einen Schnitt markiert.
    Anschließend setzte ich die Ärmel, je ein Stoffstück von der Länge des Armes von der Schulter bis zum Handgelenk und einer Breite von oben etwa des doppelten Oberarmumfanges (so konnte ich auf den Zwickel verzichten) und unten des Unterarmumfanges, an der Schulter ein. Dann wurde der Halsausschnitt genäht, nun etwa einen halben Zentimeter weiter als beim Unterkleid.
    Beim Schließen der Vorder- und Rückenbahn an den Seiten fügte ich kurz über der Taille auf jeder Seite etwas breitere Keile als beim Unterkleid ein.
    Nach der Fertigstellung aller Verbindungsnähte wurden die Säume an den Handgelenken und am unteren Rand des Oberkleides so angepasst, dass das Unterkleid nicht hervor schaut.
    Um eine größere Haltbarkeit der Nähte zu erreichen, habe ich die Schulter- und Ärmelnähte sowie die Seitennaht bis zum Einsatzpunkt der Keile an der Außenseite des Kleides von oben noch überwendlich umnäht. Den Abschluss bildete dann das Versäubern aller Schnittkanten.
Ledergürtel mit D-Schnalle
Ledergürtel mit D-Schnalle

Hilfsmittel und Verzierung: der Gürtel

Nach dem Vorbild der Jungfrauen-Statuen am Magdeburger Dom (kurz nach 1230), der Synagoge am Bamberger Dom (erste Hälfte 13.Jh.), der Illustration im Codex Buranus (um 1230) und der Darstellung der Schwester des Mose in der Maciejowski-Bibel (1240er- Jahre) sowie angeregt durch die Abbildung der Ehefrau im Reiner Musterbuch (ca. 1200 bis 1220) trage ich zum Zusammenraffen und auf Figur bringen der Kleider etwa zwischen der Taille und dem Hüftansatz einen schlichten Gürtel aus pflanzlich gegerbtem braunem Leder mit einer D-Schnalle aus Messing.

 

Und so sieht das Oberkleid fertig aus:

grünes Oberkleid, Wollstoff
grünes Oberkleid, Wollstoff

 

Das gleiche Kleid habe ich auch noch mal aus leichtem (350g/m) birkengelbgrünen Wollstoff genäht, der mit birkengelbgrünem Wollgarn zusammen gefügt wurde:

gelbgrünes Oberkleid, Wollstoff
gelbgrünes Oberkleid, Wollstoff

 

Und auch noch einmal aus leichtem birkendunkelgrünen Wollstoff:

dunkelgrünes Oberkleid, Wollstoff
dunkelgrünes Oberkleid, Wollstoff

 

 

Kopfbedeckungen

 

Kopfbedeckungen bildeten einen essentiellen Bestandteil der Kleidung der (verheirateten oder verwitweten) mittelalterlichen Frau.

Die Darstellungen in den Quellen des späten 12. und frühen 13. Jahrhunderts zeigen ein breites Spektrum an Kopfbedeckungen, das von einem um den Kopf (und den Hals) geschlungenen langen Stoffstreifen in Form eines Tuches oder Wimpels über das Gebende teilweise mit einem darauf befestigten Schleier bis hin zu Hauben und kapuzenähnlichen Kleidungsstücken reicht.

 

Kopftuch, Leinenstoff
Kopftuch, Leinenstoff

 Ich habe aus den gesichteten Quellen zwei bis drei Formen von Kopfbedeckungen abgeleitet, die für eine Handwerkergattin in Frage kommen können:

Angeregt durch die Darstellung der Herzogin von Spoleto im Liber ad honorem (1196), die rechte Allegorie (Humilitas) im Jungfrauenspiegel (erstes Viertel des 13.Jhs.) und die oben rechts in Psalterium Feriatum (um 1235) abgebildete Frau ein die Kinnpartie frei lassendes einfaches Kopftuch (hinten oder seitlich gebunden) für den Alltag.

Nach einer der Witwen in der Illustration des Jungfrauenspiegels (13.Jh.), der Ehefrau im Reiner Musterbuch (um 1200 bis 1220) und der Darstellung z.B. der Rebekka in der Maciejowski-Bibel (1240er-Jahre) der um Kopf, Nacken, Hals und Stirn gelegteWimpelmit einem an einer Seite herab hängenden Ende ebenfalls eher für den Alltag.

Eventuell nach dem Vorbild z.B. der Weberin im Reiner Musterbuch (um 1200 bis 1220) und der Maciejowski-Bibel (1240er-Jahre) für festliche Zwecke das möglicherweise im 13. Jahrhundert erst aufkommende  Gebende mit zwei etwa handbreiten Gebendestreifen als Kinn- (unter dem Kinn her über die Ohren laufend um den Kopf herum gewickelt) und Stirnband (um Stirn und Hinterkopf gewickelt) sowie einem darauf mit Gebendenadeln befestigten hängenden Schleiertuch.

  • Als Material habe ich feines gebleichtes Leinen für das Kopftuch (mit den Maßen 200cm Länge und 55cm Breite) und den Schleier (70cm lang und 55cm breit) sowie mittleres gebleichtes Leinen für die Gebendestreifen (je ca. 120cm lang und 8cm breit) verwendet und mit gebleichtem Leinengarn in der Stärke 60/2 überwendlich versäubert. Die Gebendenadeln wurden aus Messingdraht gefertigt.
Strohhut
Strohhut

Eine Alternative zum Kopftuch könnte in der warmen Jahreszeit der geflochtene Strohhut gewesen sein, wie er z.B. in der Berliner Handschrift (ca. 1220) des Eneasromans und der Maciejowski-Bibel (1240er-Jahre) zu sehen ist.

 

Überkleidung

 

Den bisher letzten Teil meiner Gewandung stellt die Überkleidung dar. Sie wurde über dem Oberkleid getragen und diente zum Schutz der Kleidung darunter oder zu repräsentativen Zwecken.

Die Art der Überkleidung unterscheidet sich um 1200 je nach Stand. Während sich adelige Damen in vorne mit einer verzierenden Spange oder Schnur geschlossene umhangähnliche Mäntel kleideten, wickelten sich Frauen niedrigerer Schichten in einfache rechteckige Tücher oder trugen über den Kopf gezogene ponchoartige Kleidungsstücke mit oder ohne Armlöchern.

 

Meine Ausführung eines Mitteldinges zwischen einem vorne durch eine Naht geschlossenen Rechtecktuch und einem Halbkreismantel orientiert sich am Schnitt des Mantels der heiligen Klara (aus der ersten Hälfte des 13.Jhs.), der Überkleidung der Herzogin von Spoleto im Liber ad honorem (um 1196) und der der am rechten Bildrand stehenden Hofdame der Pharaonentochter im Lateinischen Psalter (aus dem ersten Viertel des 13.Jhs.).

  • Als Material habe ich passend zum Oberkleid mittelschweren (500g/m) grünen Wollstoff in Köperbindung benutzt und das etwa 200cm lange und 145cm breite Rechteck mit Wollgarn (Schussfäden des Stoffes) zusammen genäht und versäubert. Durch die von vorne nach hinten verlaufende leichte Abrundung der Ecken (die notwendig ist, wenn das Tuch nicht auf dem Boden schleifen soll) ist das Kleidungsstück vorne kürzer als hinten.
Überkleidung, Wollstoff
Überkleidung, Wollstoff

 

Meine Cappa besteht aus einem Rechtecktuch, das an den Ecken leicht abgerundet sowie mit einem Kopfloch und einer Kapuze versehen wurde.

  • Als Material habe ich mittelschweren (500g/m) walnussbraunen Wollstoff in Köperbindung verwendet. Das vorne etwa 70cm und hinten 1m lange sowie 154cm breite Oval wurde mit walnussbraunem Wollgarn (Schussfäden des Stoffes) versäubert. Am Halsausschnitt wurde eine Kapuze in Form eines ca. 72cm langen und 35cm breiten Rechteckes angefügt.
Cappa, Wollstoff
Cappa, Wollstoff

 


Sonstiges

 

Schuhwerk

 

Im Mittelalter waren Schuhe, die sich bei Männern und Frauen wenig unterschieden, überwiegend wendegenäht, wie die beiden großen Fundkomplexe aus Schleswig und Konstanz belegen. In der einfachsten Form einteiliges Oberleder/Schaft und Sohle wurden zunächst auf links, also mit der späteren Innenseite nach außen (mit Leinengarn) zusammen genäht und dann auf rechts umgestülpt (die Nähte lagen nun innen). Dabei bildete die raue Seite des Leders, bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts meist pflanzlich gegerbtes Schafs- oder Ziegenleder für das Oberleder und Rindsleder für die oft im Mittelteil taillierte Sohle, das Innere des Schuhs, die glatte unempfindliche Seite die Außenseite (Leder konnte im Mittelalter noch nicht aufgespalten werden).

Da das Leder aufgrund des Wendeprozesses nicht übermäßig dick sein konnte, blieben die Schuhe recht flexibel. Zur größeren Stabilität nähte man im unteren Schuhbereich häufig einen Randstreifen zwischen Sohle und Oberleder und einen Keil an der Ferse sowie manchmal zusätzliche Teilsohlen ein. Der obere Bereich des Schuhs konnte mit einer Schaftrandeinfassung, einem angenähten Lederstreifen, verstärkt werden.

Während im Haus- und Hofbereich getragene Schuhe wahrscheinlich eher flach und halbschuhähnlich waren, bedeckten Arbeitsschuhe auch den Knöchel.

Im Hochmittelalter wurden die Halbschuhe mit einer Schnürung bzw. geknoteten Riemen (vor allem im 14.Jh.) verschlossen, daneben kamen auch Schlupfschuhe vor. Um 1200 lag die mit einer Verstärkung hinterlegte Schnürung meist an der Innenseite oder hatte die Form einer um den Knöchel herum laufenden, oben liegenden Schnürung, wurde dann aber durch eine Schnürung auf dem Rist verdrängt und ab dem Spätmittelalter auch durch Metallschnallen oder einen Knöpfriegel ersetzt. Riemchenschuhe, im Hochmittelalter mit einer seitlichen Lederschnürung versehen, wurden oft von Männern getragen und sind auf den vorliegenden Bildquellen ebenfalls nicht eindeutig auszumachen.

Vom späten 12. Jahrhundert bis etwa 1300 vorkommende halbhohe und hohe Schuhe einteiligen Zuschnitts band man in der Regel um den Knöchel herum frontal zu, ab dem Spätmittelalter setzte sich auch hier die Schnalle als Verschluss durch. Den Knöchel bedeckende halbhohe Schuhe sind auf den Abbildungen am häufigsten zu erkennen, obgleich die Kleider die Füße meist so weit verhüllen, dass eine eindeutige Identifizierung nicht immer möglich ist.

Die Schuhspitze wurde im Verlauf des Hochmittelalters, von rund ausgeformten Arbeitsschuhen abgesehen, immer ausgeprägter und länger.

Um den Schuh zu schützen, kamen wohl ab dem 13. Jahrhundert Überschuhe in Form von Trippen aus Leder oder Holz zum Einsatz. Die hölzernen Trippen besaßen eine flache oder mit Stegen versehene Holzunterseite und einen am Holz angenagelten (Rinds)Lederriemen zum Hineinschlüpfen mit dem Schuh.

 

halbhohe wendegenähte Schuhe mit umlaufender Schnürung
halbhohe wendegenähte Schuhe mit umlaufender Schnürung

Für eine Bürgerin um 1200 bietet sich für die warme Jahreszeit ein geschlossener Halbschuh mit seitlicher oder umlaufender Schnürung und runder oder leicht spitzer Zehenpartie an. Für die kälteren Monate ist ein den Knöchel bedeckender halbhoher Schuh mit umlaufender Bindung möglich. Neben den Funden aus Schleswig und Konstanz bilden die Illustrationen des Jungfrauenspiegels (13.Jh.), die des Welschen Gastes (um 1256), die Maciejowski-Bibel (1240er-Jahre) und der Lateinische Psalter (erstes Viertel des 13.Jhs.) meine Quellengrundlage für die Schuhwahl.

 


(Almosen)Beutel

 

Um die wichtigsten persönlichen Gegenstände bei mir tragen zu können, ergänzt ein einfacher kleiner Beutel mit Nestellöchern meine Kleidung.

Da ich für meinen Zeitraum noch keine direkte Vorlage für einen Beutel finden konnte, habe ich mich an der Form der Almosenbeutel adeliger Damen, wie sie z.B. im Welschen Gast (ca. 1256, Cod. Pal. Germ. 389 fol. 126r) oder in dem leider fast hundert Jahre nach meiner Darstellungszeit entstandenen Codex Manesse (um 1305 bis 1340) in der Miniatur zu Dietmar von Aist (Cod. Pal. germ. 848 fol. 64r) zu sehen sind, orientiert und vereinfacht übernommen. Eine weitere Anregung stellte der an der Figur König Wilhelms von Holland abgebildete Beutel auf der Grabplatte des Mainzer Erzbischofs Siegfried III. von Eppstein (um 1250) dar.

  • Als Material habe ich walnussbraun gefärbten Wollstoff benutzt und ein etwa 85cm langes und 45cm breites Rechteck quer gefaltet aufeinander gelegt und mit Wollgarn (Schussfäden des Stoffes) an den Seiten zusammen genäht und versäubert. Genauso habe ich auch noch einen kleineren Beutel mit den Maßen 40cm x 20cm zur Befestigung am Gürtel gefertigt. Am oberen Rand wurden die Beutel mit Nestellöchern versehen. Zum Zusammenschnüren dienen schmale Stoffstreifen (die durch in Fingerschlaufenflechttechnik hergestellte Kordeln ersetzt werden sollen, sobald ich diese Technik erlernt habe).

 

Und so sieht der kleine, am Gürtel getragene Beutel fertig aus:

Almosenbeutel, Wollstoff
Almosenbeutel, Wollstoff

 

Umhängetasche/Pilgertasche

 

Eine etwas größere Alternative zum am Gürtel getragenen Almosenbeutel ist die so genannte Pilgertasche, die mit einem Schulterband zum Umhängen und oft verzierenden Quasten/Troddeln versehen war.

Als Vorbild dienen mir die trapezförmigen Pilgertaschen aus der Maciejowski-Bibel (1240er- Jahre), wie sie die Ehefrau des Leviten und ihre Dienerin auf Folio 15v tragen.

  • Als Material habe ich mittelschweren walnussbraunen Wollstoff und als Innenfutter mittelschweren Leinenstoff verwendet und mit Wollgarn (Schussfäden des Stoffes) an den Seiten zusammen genäht und versäubert.
  • Schnittmuster: im unteren Teil trapezförmiges 37cm langes, 37cm hohes und oben 32cm breites sowie im oberen Teil rechteckiges 31 cm hohes und 32cm breites Hinterteil insgesamt 68cm hoch; trapezförmiges 37cm langes, 37cm hohes und oben 32cm breites Vorderteil; zwei trapezförmige 37cm lange, 37cm hohe und oben 32cm breite Stoffstücke als Innenfutter; 150cm langer (später etwas gekürzter) und  10cm breiter Stoffstreifen als Trageriemen
  • verwendete Nahtarten: Überwendlichnaht (die Stoffkanten werden bündig aneinander gelegt und um die Stoffkante herum mit Überwendlichstichen verbunden) zur Verbindung von Innenfutter und äußerem Stoff, zum Annähen des (mittig gefalteten und überwendlich geschlossenen) Trageriemens an der Rückseite der Tasche sowie zur Verhinderung des Ausfransens der Stoffkanten, Verbindungsnaht zum Zusammennähen der Stoffteile an den beiden Seiten in Form einer an der Außenseite nur als Linie sichtbaren Blindnaht (die Stoffteile werden rechts auf rechts aufeinander gelegt und zusammen genäht),  Versäuberungsnaht an den zusammen genähten Nahtzugaben der inneren Nähte und den Säumen in Form einer Überwendlichnaht
  • Stichtypen für Nähte: Rückstich/Steppstich (auf einer Linie mit Rückwärtsbewegung) zum Zusammennähen, Überwendlichstich (um die Stoffkante) zum Zusammennähen und Versäubern
     

Und so sieht die Umhängetasche/Pilgertasche fertig aus (noch ohne Quasten):

Umhängetasche/Pilgertasche, Wollstoff
Umhängetasche/Pilgertasche, Wollstoff

verwendete Literatur und Quellen

  • Familia Ministerialis, D. Seidlitz: Mittelalterliche Nähtechniken nach archäologischem Fundmaterial. Berlin: 2005: www.familia-ministerialis.de/naehte.html (Zugriff 14.01.2014).
  • Foracheim 1248: www.foracheim.de/cms.php?cmspid=150 (Zugriff 11.05.2014).
  • Kania, Katrin: Kleidung im Mittelalter. Materialien – Konstruktion – Nähtechnik. Ein Handbuch. Köln: Böhlau Verlag 2010.
  • Vorlesung Sachkunde und Alltagskultur in der höfischen Literatur. Sabine Seelbach, Universität Wien, SS 2010.
  • Zerkowski, Wolf/Fuhrmann, Rolf: Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen. Grundausstattung für die Frau. Braunschweig: Zauberfeder Verlag 2009.

Herzlichen Dank an:

Naturtuche.de

Naturtuche.de

und Rubia Pflanzenfärberei: www.rubia-pflanzenfaerberei.de

CP Historische Schuhe: www.historische-schuhe.de

Gürtelreplikate: www.dragal.de

Vehi Mercatus: www.fahrendehaendler.de
Reenactors: www.reenactors-shop.de